VORWORT BAND 3

Auch in diesem dritten Band „Bild des Menschen im Spiegel der Kunst“ geht es erneut um die Synthese einer geschichts- und kultur- mit einer kunstphilosophischen These in Absicht eines Beitrags zur Pädagogik des Vorbilds oder der ästhetischen Erziehung.

Gemäß der altehrwürdigen Ansicht von der Kulturdrift aus Asien, genauer Vorderasien, mithin Mesopotamien und Ägypten, das von den Alten kulturell zu Asien gerechnet wurde, also aus dem Morgenland ins Abendland, vom Christentum auf seinen göttlichen Heiland und Erlöser getauft: Ex oriente lux, sind die Ursprungsorte der großen Menschheitskulturen im Orient zu suchen, wo die Sonne aufgeht; und von dort aus hätten sie sich, sozusagen dem Lauf der Sonne gehörig, gen Westen gewendet – welthistorisch zeugen davon die drei monotheistischen Jenseits-Religionen von Judentum, Christentum und Islam, einheimisch morgenländische Gewächse, die bis heute Geist und Kultur im christlichen Westen wie im muslimischen Osten mitbestimmen.

In den Kapiteln „Ägypten“ und „Babylon“ des dritten Bandes wird sich daher zunächst des Sinngehalts dieser orientalischen Ursprungsideen vergewissert, kurz gesagt, der Erfindung des Jenseits in Ägyptenland und der mesopotamischen hypertrophen Monokratien. Die einschlägigen Selbst- und Hochbilder, mithin Vorbilder für die willfährig Gläubigen beider Kulturen sind im Kontext ihrer Geschichte und ihres Mythos vorzugsweise von den einschlägigen Kunstwerken abzusehen versucht worden; im Falle Ägyptens in Sichtung und Deutung der Statuen der für gottgleich geglaubten Pharaonen sowie der Ewigkeitssymbole der Pyramiden; im babylonischen Fall in Sichtung und Deutung der Bildnisse der gewalttätig-monokratischen Herrscher auf Geheiß ihrer angeblich kriegs- und eroberungslüsternen Götter.

Der erfolgreichen Umbildung dieses orientalischen Erbes durch den aufklärerisch-anthropozentrischen, spezifisch abendländischen Geist Griechenlands waren die Erörterungen des gesamten zweiten Bandes gewidmet, nachdem bereits im ersten Band der zielführenden Emanzipation des europäischen Menschen vom orientalischen Jenseits-Vatergott zum Diesseits und Mensch favorisierenden Gottessohn nachgegangen worden war, vom byzantinischen Pantokrator über den grimmig-gerechten romanischen Endzeit-Richter und milden gotischen Beau Dieu bis zum Menschenbruder Rembrandts; und worin überdies die leidenschaftlich „heidnische“ Hinwendung zu Mensch und Erde im regenerierten Geist der Antike durch die große abendländische Malerei in Renaissance und Barock gewürdigt worden war. Zudem ist die Idee „Europa“ zur Verdeutlichung ihrer Wesenseigentümlichkeit in diesem ersten Band ab negativo von den frühesten Versuchen abgegrenzt worden, in Gestalt der orientalischen Kulturen Kretas und Etruriens auf europäischem Boden Fuß zu fassen; wie ebenfalls vom befremdlichen Geist des fernen Asiens, von Buddhismus und Hinduismus – abermals wie durchweg in allen drei Bänden in Bezugnahme auf das zugehörige Schrifttum und die signifikanten Meisterwerke der bildenden Kunst und Architektur, um der kulturabhängig unterschiedlichen Hochbilder des Menschen ansichtig zu werden, anspruchsvoller Möglichkeiten oder Wünschbarkeiten menschlichen Seins.

In Bd. 3 nun folgt in ausdrücklicher Rückbeziehung auf die behandelten theokratischen Regime der ältesten Hochkulturen und der dort in Jahrtausenden eingefleischten „Furcht des Herrn“ die zu antithetischer Kennzeichnung Europas aufschlussreich erscheinende und gegenwärtig angesagte Unterscheidung des geo- und anthropozentrischen westlichen Geistes vom anachronistisch anmutenden orientalischen Jenseitsglauben. Mithin war ein Bild von Mohammed zu zeichnen, des ersten Muslims und „wahren“ Menschen des Islams; gefälliger Diener des einzigen und allergrößten Herrgotts; der seinem Propheten exklusiv sein Wesen geoffenbart und ihn mit der Mission beauftragt hätte, alle Menschen seinem heiligen Willen und ewig gültigen Gebot zu unterwerfen. Dass dieser Glaube der Muslime vom Standpunkt aufgeklärten Unglaubens aus allein als Glaube an den Glauben Mohammeds gelten kann; der Islam daher als Mohammedanismus zu nehmen ist, wird im kritisch-prüfenden Nachvollzug der vorgeblich sakrosankten Gottesbotschaft im Koran erläutert. Dementsprechend kann gleichfalls der Glaube des Christenmenschen an Gott und Unsterblichkeit nur als menschlich-allzumenschliches Arrangement gewertet werden, sich illusionär gegen Not und Tod und die Vergänglichkeit allen Erdenlebens zu immunisieren; und natürlich ebenso der Glaube des Ägypters an seinen sonnengottgleichen Pharao und dessen jenseitig-ewige Osiris-Herrschaft. Doch völlig unbeeinträchtigt von diesen am Jenseits-Glauben der altorientalischen Ägypter oder am dienstwilligen, aber vorzüglich der Selbstermächtigung dienenden Heils-Glauben der Muslime an ihren diktatorischen Allahu akbar angebrachten Fragezeichen, bleibt die auch in diesem Band weiter verfolgte Zielsetzung, an Beispielen der hinterlassenen großen Kunst dieser Kulturen, sozusagen entmythologisiert, etwas von dem aller Rühmung werten, schöpferischen Menschen-Geist zu verdeutlichen, der mit den Sinn- und Hochbildern der ägyptischen Pyramiden und Pharaonen-Statuen sich selbst adelnd behauptet hat; oder mit den babylonischen Herrscherbildnissen oder den Wunderwerken muslimischer Moscheen-Architektur vom europäischen Spanien über Nordafrika und den arabischen Orient bis ins innerste Asien.

Die Hauptabsicht vertiefender Charakterisierung des abendländischen Geistes wird in Band 3 jedoch im Kapitel über das neben Griechenland für den europäischen Menschen bedeutsamste Hoch- und Vorbild des „wahren“ Menschen in Gestalt des „wahren“ Römers verfolgt; erörtert vor allem an den paradigmatischen Gestalten von Caesar und Augustus; ergänzt durch Sichtung und Deutung charakteristisch römischer, entschieden Diesseits und menschlichem Nutzen verpflichteter, gleichwohl überwältigend schöner Bauwerke vom Typ Rundtempel (Pantheon), Aquädukt (Pont du Gard), Stadttor (Porta Nigra) und Amphitheater (Colosseum). Zielsetzung der diesbezüglichen Erörterungen: Vorstellung des römischen Menschen als inbildlichen Exponenten des abendländisch triumphalen wie verhängnisvollen Macht- und Tatwillens, vermeintlich von Jupiter Optimus Maximus mit der Weltherrschaft beauftragt. Anhand von Julius Caesar und Caesar (= Kaiser) Augustus – von deren Selbstbildern und den überkommenen Porträts abzusehen versucht, den für das alte Rom signifikanten Kunstwerken, wie es die Statuen des nackten, menschgestaltigen Gottes für das geistige Griechenland waren – wird somit der für das spätere Europa maßgeblichen römischen Reichsidee nachgegangen, unter deren Auspizien mit der geistigen Eroberung des Westens begonnen wurde; vereinfacht gesagt, mit der Romanisierung über Italien hinaus von Spanien und Frankreich. Nach dem Tod der Götter wie des metaphysisch-moralischen Gottes ist im ernüchterten Macht-Glauben an die neuzeitlich-profane Dreieinigkeit: Wissenschaft, Technik und Industrie, sprich imperialer Kapitalismus, die geistige wie tatsächliche Übermächtigung der Erde durch das selbstherrliche Europa erreicht worden; doch nach Selbstzerfleischung Alteuropas in den beiden Weltkriegen ist der abendländische Geist im Ausgriff über den Atlantik entschieden auf die Neue Welt übergegangen, auf die Vereinigten Staaten von Amerika, gegenwärtig die einzige unilaterale Weltmacht; bis diese nach der unwiderstehlich weiter westwärts drängenden Durchquerung des Kontinents und Überquerung des Pazifischen Ozeans sowie der vorläufigen Beseitigung Japans durch die Atombombe überraschenderweise wieder auf das älteste Asien getroffen ist; auf ein verwestlich-wiedererstarktes China, bevölkerungsreichstes Land der Erde; das sich nun anschickt, den Westen darüber zu belehren, dass sich Kapitalismus mitsamt neuzeitlicher Wissenschaft, Technologie und Großindustrie anscheinend nicht nur mit der westlichen Demokratie zu liieren verstünde, sondern ebenfalls mit der asiatisch-orientalischen, uranfänglichen Autokratie; vielleicht im Verein auch noch mit dem flächengrößten Land des Planeten, einem asiatisierten Russland, wodurch der Ruin der Erde vom krebsartig ausgewucherten, bionegativen Willen zum Willen des Menschen wohl besiegelt würde.

Wie sich diese, die Menschheitsgeschichte wohl endgültig ins Posthistoire überleitende Begegnung des Neuesten mit einem Urältesten auswirken wird, gesetzt, dass es nicht zu einem Ende mit Schrecken gekommen ist oder der global ausgeweitete Machtwille und rationalistisch-widernatürliche Aktivismus zu alleinigem Nutzen und Profit des Menschen den Planeten derart verwüstet hat, dass an die Maschinen abgedankt werden musste, lässt sich wohl nur in persönlichster Wunschform ausmalen. Inch Allah! und wenn die Kräfte dazu reichen, soll dieser Wünschbarkeit – mein keckes Vorhaben, mir über 5000 Jahre menschlicher Möglichkeiten und Wünschbarkeiten im Spiegel der Kunst Rechenschaft zu geben (vgl. Vorwort Bd. 1, S. 11) – in einem nach dessen Fertigstellung diesem dritten Band anzufügenden Kapitel, wieder kraft dem von der großen Menschheitskunst dazu ermutigten Möglichkeitssinn, Gestalt zu geben versucht werden. Dazu bloßgestellt werden müsste die neuzeitlich-moderne, inzwischen global vorherrschende westliche Kunst einerseits als anteilnehmend an der hybrid-demiurgischen, für den Planeten lebensgefährlichen Selbstherrlichkeit des Menschen; die sich vielleicht zu einer gewissen heilsamen Zurücknahme gezwungen sehen könnte zufolge der geistigen Konfrontation mit der für eine erträumte Harmonie von Erde und Mensch vielversprechendsten Kunstgattung Chinas, der gelassener Weisheit verdankten, aller wahnhaften Menschen-Überheblichkeit abholden altchinesischen Landschaftsmalerei und ihrer ernüchternden Ansicht vom ephemeren Erdling Mensch, unbeirrt vom Humilitas- und Miserabilitas-Sündenfall der orientalischen Großer-Gott- und Jenseitsgläubigen; welchem realistischen Bild der conditio humana wie ebenfalls dem global eskalierten Machbarkeitswahn ergänzend die kontemplativen Zeugnisse der großen abendländischen Kunst für eine seelenvolle Liebe zum Diesseits hinzuzufügen wären, das Eros-Geschenk der verklärt-schönen Erde und eines seiner einzigen Heimat in der abgründigen Leere des Alls würdigen Menschen.

Abermals gilt mein herzlicher Dank Frau Anna Specht für die Computer-Fassung und meinem Freund Michael Smit für die Formatierung der Druckvorlage und die Sichtung und Passung der Abbildungen.

August 2015

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